Zur Sicherheit Musik
Ein BND-Mitarbeiter
soll für die USA spioniert haben - dabei sind die Amerikaner eigentlich Partner der deutschen Geheimdienste.
Doch inzwischen ist das Misstrauen der deutschen Parlamentarier
so groß, dass sie nur unter
ungewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen
über die NSA beraten.
Von
John Goetz, Hans Leyendecker, Georg Mascolo, Frederik Obermaier
Der Auftrag für den NSA-Untersuchungsausschuss
ist ein Dokument
der Ratlosigkeit. Es besteht aus knapp
30 Leitfragen auf fünf Seiten. Zusammengefasst lauten die entscheidenden Fragen: Weiß irgendjemand
in der Regierung und bei den deutschen Nachrichtendiensten, was die amerikanische
NSA und der britische Geheimdienst GCHQ so treiben? Wie stark Deutschland durch die speziellen Überwachungsprogramme betroffen ist? Wie man sich
gegen all das Ausspähen wehren kann?
Es
gibt einen Fachmann, der helfen
könnte, Antworten zu finden: Der
heißt Edward Snowden und sitzt
noch in Moskau in vorläufigem Asyl. Aber die Bundesregierung will nicht, dass er
nach Deutschland kommt - weil er dann
vermutlich hierbleiben möchte. Und das würde aus Sicht der
Regierung viel Ärger bedeuten mit den Partnern in den USA. Auch eine Organisation
gibt es, die all die Fragen leicht beantworten
könnte: die NSA. Sie müsste eigentlich wissen, was sie alles so macht. Aber von den amerikanischen Spionen ist keine
Aufklärung zu erwarten. Geheimdienste heißen schließlich Geheimdienste, weil sie ihre Geheimnisse
für sich behalten.
Angesichts dieser Lage ist es
fast schon skurril, dass die NSA angeblich mithilfe eines deutschen Agenten auch erfahren wollte,
was der Untersuchungsausschuss
so treibt. Was er noch alles wissen
will und was ihm schon -
von wem auch immer - mitgeteilt wurde. Beim letzten
Treffen fragte sie ihren Agenten,
wie der BND
zu dem Ausschuss
stehe und welche Unterlagen er nach
Berlin schicken werde.
Was
ist mit den amerikanischen Geheimdiensten
los?
Bei aller Skurrilität muss man den Fall ernst
nehmen, weil der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof auf Antrag der Bundesanwaltschaft
den dringenden Tatverdacht bejaht hat. Er meint, dass nach
dem bisherigen Ermittlungsergebnis eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der
Beschuldigte als Täter oder als
Helfer eine Straftat begangen hat. Noch gravierender ist indes der
Umstand, dass die Sache mutmaßlich schon über Jahre
läuft. Was ist mit den amerikanischen Geheimdiensten los, dass sie sich für
die Aufklärungsarbeit der Deutschen so interessieren - und dafür auch verdammt
viel riskieren?
Die
Amerikaner sind befreundete Partner der deutschen Dienste. Man arbeitet bei Projekten
zusammen, teilt sich Ausspähtechnik, und manchmal reichen der BND oder
der Verfassungsschutz auch Daten weiter
an die Amerikaner. Natürlich
immer ganz legal, wie die deutschen Dienste versichern. Das ist der eine
Teil der nachrichtendienstlichen Realität.
Der andere lautet: In diesem Geschäft gibt es
in Wahrheit keine Freunde. Man interessiert sich für alle
und alles. Auch sind die Amerikaner über den Wunsch der Deutschen über
mehr Aufklärung in der NSA-Affäre vergrätzt. Sie betrachten die Arbeit des Ausschusses offenbar als Angriff. Und Angriffe, so sind die geeicht, müssen abgewehrt werden.
Edvard Griegs Klavierkonzert in a-Moll
Rund 400 Ordner zur NSA liegen dem Ausschuss vor,
und auch der BND hat im Juni
Material geliefert. Vermutlich
Archivare haben die vielen Presseberichte zum Thema NSA zusammengetragen.
Verschlusssache, nur für den Dienstgebrauch, wie es sich
gehört. Organigramme und Dateiverzeichnisse des BND hat der Dienst auch
geliefert, damit die Abgeordneten verstehen, wie und wo der
BND mit den US-Partnern kooperiert.
Wenn sich Abgeordnete dieses Material ansehen
wollen, müssen sie in die Geheimschutzstelle gehen, in einen besonders streng gesicherten Raum. Die Organigramme sind unter der Nummer
02/14 eingetragen. Geheim.
Ein paar Presseartikel, ein paar Organigramme, das kann es doch
wohl nicht sein.
Die
deutschen Dienste sind dennoch seit
Wochen in Alarmstimmung. Sie befürchten offenbar, dass sich ausländische Dienste für all die geheimen Banalitäten und internen Formalitäten interessieren könnten. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen
hat sich in den vergangenen
Tagen mit einer Reihe von Ausschussmitgliedern getroffen. Er hat sie gewarnt.
Sie müssten mit einer gezielten
Überwachung rechnen - von wem auch immer.
An die Obleute des Untersuchungsausschusses
wurden daher Krypto-Handys ausgeteilt zur verschlüsselten Kommunikation. Auch wurde ihnen ein
Umzug ins Jakob-Kaiser-Haus in der Nähe
des Reichstags nahegelegt, dort könne man die Wände mit Aluminiumplatten
verkleiden. Das helfe zumindest gegen die Lauscher von draußen.
Vor dem geheimen Teil der
Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses
am Donnerstag wurde eine große Metallkiste
aufgestellt. Alle Handys und Tablets sollten da hinein. Dann
schaltete der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg
auch noch Musik ein.
Zu hören war Edvard Griegs Klavierkonzert
in a-Moll. Nur zur Sicherheit.