Wen kümmert schon die Welt?

 

7. Sep 2012

 

Beim US-Wahlkampf stehen nun die Kandidaten endgültig fest. Die Krönungsmessen sind gefeiert und der Schlammringkampf kann beginnen. Aussenstehenden fiel dabei auf, dass die Welt jenseits der Aussengrenzen der USA scheinbar nicht existiert.

 

Für einen Unternehmer mit einem Sinn für Zahlen kann Mitt Romney irgendwie nicht besonders gut rechnen. Es stimmt zwar, dass, wie er nicht müde wird zu betonen, dass der Abbau der Schulden zentral ist, doch sein Vorschlag, wie dies geschafft werden kann, ist arithmetisch mindestens abenteuerlich.

 

Er schlägt nämlich eine Steuerreduktion von 86 Milliarden Dollar für jene vor, die über $ 200'000.-- verdienen und werde diese Mindereinnahmen mit anderen Massnahmen ausgleichen. Nur was diese Massnahmen sind, werde erst nach der Wahl mitgeteilt. Überhaupt nicht klar ist auch, wie Romney die massive Erhöhung des Verteidigungsbudgets finanzieren will, die er versprochen hat: 2 Trillionen Dollar, welche das Pentagon nicht mal forderte.

 

Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber Romneys Rechnung (er behauptet, dass auch die weniger gut verdienenden weniger Steuern zahlen müssten) geht nicht auf: Weniger einnehmen, mehr ausgeben und ein Defizit dabei abbauen funktioniert nicht.

 

Diese Vorlage liess sich Ex-Präsident Clinton am Parteitag der Demokraten nicht entgehen: Die Behauptungen und Aussagen von Romney und seinem Vizekandidaten Ryan zerlegte er minutiös und zählte genüsslich die ganzen Lügen auf, welche von diesen als Fakten verkauft worden waren. Die Rede war ein absoluter Erfolg - mehr als jene von Obama am Abend danach.

 

Wie locker die Republikaner mit der Wahrheit umgehen, haben auch Fact-Checker festgestellt: Jede zehnte Aussage von republikanischen Politikern sei irreführend oder schlicht falsch. Bei den Demokraten «nur» jede fünfzigste. Die Nasen der Republikaner müssten also wesentlich länger als die ihrer Gegner sein, was auch die Aussage eines Wahlkampfsprechers von Romney, man werde sich nicht durch Fact-Checker beeinflussen lassen, zum Ausdruck bringt.

 

Obama betonte, dass er mehr Zeit brauche, um die Probleme zu lösen und dass er in den letzten vier Jahren viel gelernt habe - sein Rede war zeitweise kämpferisch aber am Ende eine Abbitte: Der Misthaufen war riesig, lasst mich die Arbeit fertig machen! Für die Zuschauer jenseits der US-Grenzen tat sich vor allem eine Frage auf: Kümmert sich die USA noch um den Rest der Welt?

 

Diese Frage wurde - wenn überhaupt - nur sehr indirekt beantwortet. Obama machte sich über die aussenpolitische Ahnungslosigkeit von Romney/Ryan lustig, mochte sich dann aber nicht gross über diesen Aspekt auslassen. Die einzige Aussage der Republikaner dazu war sogar nur indirekt: Die bereits oben erwähnte, massive Aufstockung des Militärbudgets, das nur als Konfrontationssignal vor allem an China gedeutet werden kann.

 

Für den US-Wähler existiert der Rest der Welt scheinbar nicht, obwohl die Wechselwirkung der Finanzmärkte, die Rückkopplungen und Verknüpfungen immer klarer einen Einfluss auch auf die lokale Wirtschaft haben. Doch da dies nicht offensichtlich ist, wird es auch nicht erwähnt.

 

In der Krise ist diese Neigung zum Isolationismus überall stärker geworden und droht gar, die EU wieder zu zersplittern. Dieser Rückzug aufs Kleinräumige ist in dieser vernetzten Welt allerdings ein völliger Widerspruch gegenüber der Macht des Faktischen, die nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass nicht mal mehr Riesennationen wie die USA oder Russland noch autark in einer halbwegs ähnlichen Form zu heute existieren könnten. Der Wahlkampf in den USA macht es offensichtlich, dass es heutzutage scheinbar eine gute Gelegenheit für Politiker ist, bei Wählern zu punkten, indem dieser Aspekt der Realität tunlichst ausgeblendet wird.

 

Direkte Aussagen werden wir also kaum dazu hören, aber das «kalte Krieg» Programm, das Romney gerne lancieren würde sollte uns eine Warnung dafür sein, was aus dieser Ecke kommen könnte. Nur weil jemand nicht «Achse des Bösen» sagt, heisst noch lange nicht, dass er keine finden will.