Terrorstaat Irak
Im Irak stehen mehr Dschihadisten
unter Waffen, als je in Afghanistan gekämpft haben. Unter ihnen
sind mehrere tausend Terroristen aus Europa - die eines Tages dorthin
zurückkehren. Eine Analyse.
11.06.2014
von
RAINER HERMANN
Wer geglaubt haben sollte, der
Krieg in Syrien sei nur von lokaler Bedeutung, den belehrt die Erstürmung von Mossul und weiterer Städte im Norden des Iraks
durch Terroristen des „Islamischen Staats“ eines Besseren. Was Bin Laden mit Al Qaida nicht erreicht hat, gelingt dem Iraker Abu Bakr al Baghdadi: einen Terrorstaat zu schaffen, der auch
unsere Sicherheit gefährdet. Dort stehen bereits mehr Dschihadisten
unter Waffen, als je in Afghanistan gekämpft haben. Neu ist,
dass unter ihnen mehrere tausend
Terroristen aus Europa sind, die eines Tages dorthin
zurückkehren.
Neu ist auch, dass der
„Islamische Staat“ die Grenzen zwischen Staaten aufhebt. Dass er seine Expansion auch durch Schutzgelderpressung
in Mossul finanziert, war bekannt. Nichts hat die Regierung des Ministerpräsidenten
Maliki dagegen unternommen,
und die irakische Armee hat
es nicht vermocht, die Dschihadisten aus Falludscha zu vertreiben, das sie zu Jahresbeginn
erobert hatten. Soldaten sind sogar
zu den Dschihadisten übergelaufen: von stabilen Institutionen im Irak keine Spur.
Mossuls strategische Lage eröffnet den „Gotteskriegern“ erschreckende Möglichkeiten. Der Emir des „Islamischen Staats“ kann nun mit seinen
Krieger, die den Tod nicht fürchten, von Falludscha im Westen und Mossul
im Norden zum Sturm auf Bagdad ansetzen; schließlich beruft er sich mit
seinem Kampfnamen „al
Baghdadi“ auf die irakische Hauptstadt.
Mit dem eroberten
Mossul konsolidiert er sein Herrschaftsgebiet
im Norden Syriens und Norden des Iraks; von Mossul aus kann er
das Wasser des Tigris kontrollieren
und die Ölleitungen, die in die Türkei
führen.
Solange der „Islamische Staat“ nicht auf Gegenwehr stößt, wird er
sein mörderisches Treiben fortsetzen. Die irakische Armee kann die Dschihadisten nicht zurückschlagen, auch nicht die syrische Armee. Iran würde indes nicht
zögern, die Regierung in
Bagdad ebenso zu schützen, wie sie
in Damaskus ihrem Verbündeten zur Seite steht. Im
Irak könnten, wie zuvor in Syrien,
vor allem kurdische Truppen sich den Dschihadisten entgegenstellen.
Der Westen aber muss sich fragen, weshalb er so lange zugesehen
hat, als Verbündete Waffen (und Geld) nach Syrien lieferten, die dann in die Hände von Extremisten gelangten. Er muss endlich erkennen, was in Syrien auf dem Spiel steht, und seine Politik ändern.