Die US-Wahl ist noch nicht entschieden

 

Selten hat sich ein US-Politiker kurz vor der Wahl solch eine Blöße gegeben wie Mitt Romney, als er kurzerhand die Hälfte der Amerikaner abschrieb. Noch ist allerdings nicht heraus, dass seine Entgleisung zu Obamas Wahlsieg führt.

 

US-Präsidentenwahl Von allen Patzern, die Mitt Romney sich im laufenden Wahlkampf geleistet hat, wiegt dieser am schwersten. Wenn der republikanische Präsidentschaftskandidat den Olympiagastgeber Großbritannien als unfähig beschimpft oder Amtsinhaber Barack Obama scharf angeht - geschenkt. Jetzt aber die Hälfte der eigenen Bevölkerung abzuschreiben, das hat schon was: Der Kandidat sagt, dass es nicht sein Job sei, sich um 47 Prozent der Wähler zu kümmern - jene 47 Prozent, die angeblich auf Staatshilfe vertrauen und daher auf Obama setzen. Erstaunlich, wie sich ein Politiker da freiwillig selbst als kaltherzigen Kapitalisten brandmarkt.

 

Wir Deutschen können ohnehin kaum verstehen, warum viele Amerikaner noch immer lieber Romney ihre Stimme geben wollen. Ihn nun straucheln zu sehen ist ein bisschen Wunschdenken: Sozialstaat, Krankenversicherung, außenpolitische Versöhnung - das ist die Politik, wie wir sie uns vorstellen und für die Obama steht, er ist der Wunschkandidat Europas. Doch die politische Kultur in Teilen Amerikas ist eine andere, sie ist konservativer, religiöser, staatsskeptischer und stärker auf das Individuum ausgerichtet. Und manche Äußerung, die in Deutschland ein Skandal wäre, reicht in den USA allenfalls für einen kurzen Knick in der Statistik: Keiner seiner inzwischen vielen, sehr vielen verbalen Ausfälle hat sich bisher drastisch in Romneys Umfragewerten niedergeschlagen.

 

Und er hat recht: Knapp die Hälfte der Bevölkerung wird er in den 50 Tagen bis zur Wahl nicht mehr von sich überzeugen - die eingefleischten Demokraten. Zugleich sind vielen Konservativen die medialen Eskapaden und selbst die inhaltlichen Schwächen Romneys relativ egal, es reicht, dass Romney nicht Obama ist. Entschieden wird dieser Wahlkampf über die Mobilisierung der wenigen Unentschlossenen. Die Frage ist, wen diese paar Prozent am Ende eher wählen: den reichen, kaltherzigen Kapitalisten - oder Obama, den Präsidenten der hohen Arbeitslosigkeit und der steigenden Staatsverschuldung. Derzeit sieht es gut aus für den Amtsinhaber: Die Umfragen sehen ihn vorn, allerdings knapp. Bis zur Wahl kann aber noch viel passieren. Enttäuschende Arbeitsmarktzahlen könnten Romney ebenso in die Hände spielen wie weitere Unruhen im Nahen Osten. Er hat noch nicht verloren. Auch wenn gewinnen für ihn nicht einfacher wird.