Jetzt wird es
richtig gefährlich für den Dollar
Der Euro könnte dem Dollar als Reservewährung Konkurrenz machen. Die Chinesen fordern bereits ein Ende der
US-Dominanz an den Devisenmärkten. Aber der Greenback hat noch einige Geheimwaffen.
Von
Daniel Eckert
Nach der neuerlichen Shutdown-Posse möchte
man gar nicht wissen, wie Washington mit seinen Gläubigern umgehen würde, wenn in der Staatskasse
wirklich kein Geld mehr wäre. Bisher
sind es nur
politisch herbeigeführte Mittel-Knappheiten, die die größte Volkswirtschaft der Welt an den Rande der Zahlungsunfähigkeit
gebracht haben. Denn die Schuldenobergrenze ist keine echte
Grenze der Staatseinnahmen, sondern eine politische Kampflinie. Für Millionen Anleger auf der Welt ist der
Beinahe-Absturz der US-Staatsfinanzen jedoch ein weiterer Warnschuss.
Nicht nur als großer Konsument
und Produzent haben die Vereinigten Staaten eine für die Weltwirtschaft
immense Bedeutung. Vielleicht
noch wichtiger ist ihr Status als Finanzmacht Nummer eins. Der
Dollar ist die unangefochtene
Leitwährung, und US-Staatsanleihen
sind für Firmen und Institutionen weltweit das bevorzugte Wertaufbewahrungsmittel.
Bereits vor der Drohung der
Ratingagentur Fitch, den Vereinigten
Staaten das Top-Rating AAA zu
entziehen, haben zahlreiche Devisenstrategen ihre Prognosen für den Dollar zurückgenommen.
Die Profis vermissen bei der US-Politik
vor allem Berechenbarkeit. Nach Angaben der Finanznachrichtenagentur
Bloomberg haben die Analysten
ihre Dollar-Prognosen allein im Oktober
um 1,2 Prozent gesenkt, nach einer Senkung
von 1,7 Prozent im
September und einer um 1,2 Prozent
im August. Ein solche Herabstufung in Serie ist extrem
selten.
China
betrachtet die Entwicklung mit Sorge
Manche gehen sogar so weit, dass sie die Position des
Greenback als verlässliche Weltwährung in Frage stellen. "Die Vorstellung, dass der Dollar die Reservewährung ist, hat irreparablen Schaden gelitten", zitiert Blomberg Andrew Milligan, den Chefstrategen
der Versicherungsgesellschaft
Standard Life.
Nicht nur Devisenhändler verfolgen die weitere Entwicklung der Politik in Washington aufs Genaueste. Auch China wirft ein waches (und sorgenvolles) Auge auf die Entwicklung in den USA. Denn die Zentralbank der Volksrepublik hat Staatsanleihen für 1,3 Billionen Dollar im Portfolio. Das Land mit den zweitmeisten US-Staatsanleihen ist Japan mit 1,1 Billionen Dollar.
Beide asiatische Nationen kaufen die Dollar-Papiere, um den Kurs ihrer Landeswährung niedrig zu drücken.
Einen Wertverfall des
Greenback (wie der Papier-Dollar wegen der grünen Rückseite
der Banknote genannt wird) müssen sie
fürchten. Ein Kommentator der regierungsnahen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua News Agency rief
deswegen zuletzt zu einer "Ent-Amerikanisierung" der Finanzwelt auf. Statt des Dollars
brauche die Welt eine
"neue internationale Reservewährung", die auch
die Interessen der Schwellenländer stärker berücksichtige.
Manche Beobachter sehen den chinesischen Renminbi in diese Rolle hineinwachsen. Das chinesische Geld hat seit der Freigabe des Wechselkurses im Juli 2005 bereits 36 Prozent zum Dollar und 47 Prozent zum Pfund
zugelegt. "Zuletzt hat
Peking Devisen-Swapabkommen mit
mehreren Ländern abgeschlossen, unter anderem mit der
EU. Das stärkt die Bedeutung
des Yuan", sagt Hellmeyer.
Das Ziel sei die Emanzipation von der Dominanz des Greenback im Welthandel.
Probleme bleiben ungelöst
Gegen den Dollar spricht:
Selbst wenn sich im jetzigen
Etatstreit eine Lösung andeutet könnte, sind die fundamentalen Probleme weiter ungelöst. Die US-Wirtschaft ist riesig, riesig sind allerdings auch die Schulden, die das Land im Laufe von Jahrzehnten
angehäuft hat. Dieses Jahr werden die 317 Millionen Amerikaner Waren und Dienstleistungen für rund 16,7 Billionen Dollar produzieren, wie der internationale Währungsfonds schätzt. Der Schuldenstand von Zentrale, Bundesstaaten und Gemeinden liegt jedoch schon jetzt
höher, nämlich bei knapp 17 Billionen
(17.000 Milliarden) Dollar.
Pleite gehen können die Vereinigten Staaten nach allgemeiner
Einschätzung nicht, zumindest solange nicht, wie die Notenbank immer wieder mit frisch
gedruckten Dollars einspringt.
Tatsächlich tut dies die Federal Reserve (Fed) seit Ausbruch der
Finanzkrise vehement.
Nach den aktuellsten
vorliegenden Daten hält die US-Notenbank Staatsanleihen (Treasuries) für
fast zwei Billionen Dollar.
Damit ist die Notenbank schon jetzt, vor China, der größte Einzelgläubiger
des amerikanischen Staates.
Mehr als 16 Prozent aller ausstehenden
Schuldtitel hält die Notenbank in ihrem Portfolio.
Bleiben die Anleihenkäufe
bestehen?
Im Sommer hatte der scheidende
Fed-Chef Ben Bernanke angedeutet, die Anleihenkäufe langsam zurückzufahren. Davon war zuletzt allerdings keine Rede mehr.
Zu groß waren
die Verwerfungen, die allein
die Andeutung an den weltweiten Kapitalmärkten, auslöste.
Die
Börsen und Währungen der Schwellenländer erlebten einen regelrechten Einbruch, der erst dann
wieder ausgeglichen werden konnte, als die Fed von ihrem Kurs des Tapering (Drosselung von
Anleihenkäufen) abrückte. Vieles deutet darauf
hin, dass Amerika eine weitere
Schwächung des Greenback in Kauf
nimmt.
"Sollte die Fed die Drosselung der Anleihenkäufe weiter hinausverzögern, ist das schlecht für den Dollar", erklärt
Christian Zima, Renten-Fondsmanager bei Raiffeisen Capital Management
(RCM). Die geschöpfte Liquidität bringe den Außenwert der Währung
unter Druck. Denn dem Mehr
an Geld steht ja keineswegs ein Mehr an Waren und Dienstleistungen gegenüber.
Neue Fed-Chefin dürfte beim alten
Kurs bleiben
Genau dafür, für die Fortsetzung der Anleihenkäufe, steht aber die designierte neue Fed-Chefin Janet Yellen. Schon in den 90er-Jahren trat sie als Wirtschaftsberaterin
dafür ein, dass die Notenbank die Arbeitsmarktpolitik der Regierung mit billigem
Geld unterstützen soll.
"Die
Diskussion über eine neue Reservewährung
hat es immer wiedergeben", sagt Thomas Stolper, Ökonom bei der US-Investmentbank
Goldman Sachs. Tatsache bleibe
jedoch, dass 61 Prozent aller bekannten
Fremdwährungsbestände auf die US-Devise entfallen. Im März
habe der Anteil schon einmal
bei 58 Prozent gelegen.
Damals rechneten viele mit einem
Aufschwung des Euro. Doch dann kam die europäische
Schuldenkrise, und der
Greenback profitierte trotz
all seiner Defizite von seinem
Status als "sicherer Hafen". Gründe dafür sind der
etablierte und große Kapitalmarkt sowie das Wirken der mächtigen
Wall-Street-Banken.
Nicht alle glauben an einen Abstieg der amerikanischen
Währung. "Der Dollar konnte seine Rolle als Leitwährung in den vergangenen Jahren eher wieder ausbauen",
beton Ursina Kubli, Ökonomin bei der schweizerischen
Bank Safra Sarasin. Die aktuellsten
Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zeigten, dass der Anteil
des Dollars an den täglich gehandelten Devisenvolumen heute deutlich höher liege als 2010. "Die Leitwährungsfunktion des Dollars bleibt
unbestritten".
Bedarf an einer alternativen Reservewährung
Goldman-Sachs-Experte Stolper rät zu einer
differenzierten Betrachtung.
Sollte sich das Chaos in der US-Finanzpolitik fortsetzen, könnte der Bedarf an einer
alternativen Reservewährung
seiner Meinung nach durchaus zunehmen. Kandidat Nummer eins dafür ist
der Euro, auf den im Moment
24 Prozent aller Währungsreserven entfallen.
"Die
Euro-Ära der Nach-Krisen-Zeit ist in einer besseren Position, die Rolle des Euro als Reservewährung auszuweiten",
diagnostiziert er. Immerhin sei das Budgetdefizit der USA mit 5,8 Prozent doppelt so hoch wie das der Währungsunion.
Und auch andere Wirtschaftszahlen sprächen eher für die Alte
als für die Neue Welt.
Chinas
Wirtschaft ist ebenfalls stark. Allerdings sind die Kapitalmärkte trotz der jüngsten
Liberalisierungen noch zu abgeschottet, um eine Weltwährung zu etablieren. In ein paar Jahren
kann das allerdings ganz anders aussehen.
Einig sind sich die Experten darin, dass die Zukunft der Dollar entscheidend von der neuen Spitze der
Federal Reserve abhängt. Da
allerdings mahnt die historische Erfahrung zur Vorsicht: Anfang
2014 löst Yellen Bernanke
ab. Jahre eines Wechsels an der Spitze der Fed waren meist gefährliche
Jahre für den Dollar.